Freitag, 4. Mai 2018

Karl Marx 200: Wenn’s aber wahr ist?


Zum Gedenken an den Geburtstag des Weltökonomen häufen sich unsinnige Darstellungen seiner Analysen. So wird behauptet, die praktische Umsetzung seiner Erkenntnisse habe zum Blutbad der Oktoberrevolution geführt. Etwas derart Blödsinniges der Öffentlichkeit zuzumuten, heißt nichts anderes, als dass diese für dumm gehalten wird. 
Marx hat erkannt, dass die bürgerliche Ökonomie zu Widersprüchen innerhalb von Staaten und zwischen Staaten führen muss. Im Ersten Weltkrieg bewahrheitete sich diese Erkenntnis in grausiger Weise. Getrieben vom Wahn, fürs jeweilige Vaterland zu kämpfen, oder gar für dessen Werte, löschten sich allein vor Verdun 800 000 junge Menschen gegenseitig in Stahlgewittern aus. Aus dieser ungeheuerlichen Barbarei folgerte Lenin, dass der Zeitpunkt gekommen sein müsse, die Verantwortlichen durch weniger zynische, nicht direkt menschenfeindliche Regierungen zu ersetzen. Da eine Revolution nicht ohne Gewalt durchzusetzen ist, mussten allerdings Gewaltmittel eingesetzt werden, aber die Opfer des bolschewistischen Oktober sind doch an Zahl nicht mit denen der aufeinander prallenden Imperialismen zwischen 1914 und 1918 zu vergleichen!
Zu den Folgen nicht des Oktober, sondern der Neuverteilung globaler Einflusszonen seit den Dreißigerjahren zählen die Kriege Japans gegen China und die des Dritten Reiches. Zählt auch der Holocaust.
Halten wir hier einen Augenblick inne. Bedenken wir, was das bedeutet. 200 % Gewinn, hat Karl Marx befürchtet, und es gibt kein Verbrechen, vor dem die Ausbeuter zurückschrecken.
Ich sehe Anne Frank vor mir, Etty Hillesum.
Mit diesen Konsequenzen des Imperialismus glaubt man Marx zu widerlegen? Im Ernst?
Ah, nein – jetzt wird Stalin aufs Tapet gestellt. Er habe blutig gehaust. Nun also, Stalin hat bereits 1935 erklärt, die Welt steuere auf einen Krieg zu, bei dem diejenigen, die sich 1918 benachteiligt fühlten, sich schadlos halten wollten. Er fügte hinzu: Die Sowjetunion werde sich von hochgerüsteten Räuberstaaten nicht in einen Krieg hetzen lassen, sondern mit jedem Räuberstaat einzeln Friedensverträge schließen, um die Entwicklung des Sowjetsozialismus voranzutreiben. Seltsam bleibt, dass 1936 Winston Churchill eine Artikelserie begann, in der er voraussagte, Hitler werde und müsse Raubkriege führen.
Der Marxist und der Erzkonservative stimmten in ihren Analysen überein. Ist es zu erklären? Sie haben – wie Karl Marx – Tatsachen gelesen und nicht Propaganda.
Mit Stalin Karl Marx widerlegen? Im Ernst?
Auch jetzt wieder haben imperialistische Staaten begonnen, die Welt unter sich neu aufteilen zu wollen. Wieder werden Werte nach vorn geschoben, um die Massen zu mobilisieren. Demokratie! Sie bedeutet für uns, die wir durch mächtige Kriegsallianzen geschützt sind, einige Freiheit. Sie bedeutet für wehrlose Staaten das Gegenteil: Wir nutzen die demokratischen Freiheiten, die sie uns gewähren müssen, um dort Regierungen einzusetzen, die unsere Interessen vertreten. Demokratisch gewählte Politiker, welche die Interessen ihrer einheimischen Wähler vertreten wollen, lassen wir absetzen oder ermorden. Vorbereitet werden diese Aktivitäten durch Stiftungen, welche NGOs finanzieren, deren völlige Bewegungsfreiheit wir namens der Freiheit schlechthin selbstgefällig einfordern. Wer sich nicht daran hält, hat Übel jeglicher Art – wirklich jeglicher Art – zu gewärtigen.
Demokratie ein Argument gegen Karl Marx? Im Ernst? 
   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen